BAG zur Frage einer persönlichen Haftung des GmbH-Geschäftsführers für die Nichtzahlung von Mindestlohn

Mit einer Entscheidung vom 30.03.2023 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ein Arbeitnehmer den Geschäftsführer seiner Arbeitgeberin, einer GmbH, nicht persönlich im Hinblick auf die Nichtzahlung des Mindestlohns in Anspruch nehmen kann (Az. 8 AZR 120/22 )

Sachverhalt

Dem Arbeitnehmer wurde für einen Monat keine Vergütung bezahlt, nachdem ihm zuvor bereits bei einer 40-Stundenwoche und einem monatlichen Bruttolohn von 1.780,00 € Arbeitsvergütung nur verspätet bzw. nur teilweise geleistet worden war. Die GmbH ging dann in die Insolvenz. Der Arbeitnehmer nahm daraufhin den Geschäftsführer auf Schadensersatz für nicht geleistete Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch.

Entscheidung

Nachdem bereits das Arbeitsgericht Gera und im Anschluss hieran das Landesarbeitsgericht Thüringen nicht im Sinne des klagenden Arbeitnehmers urteilten, blieb auch dessen Revision ohne Erfolg.

Das BAG ist der Ansicht, dass ein Geschäftsführer einer GmbH nur dann persönlich für die Verbindlichkeiten haftet, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben ist. Dies hat das BAG im konkreten Fall verneint. Das BAG hatte als Anspruchsgrundlage die Bestimmungen des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 21 Abs. 1 Nr. 9, 20 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG als Schadenersatz geprüft. 

Bei dem Bußgeldtatbestand im OWiG handelt es sich allerdings um kein sogenanntes Schutzgesetz zugunsten des Arbeitnehmers.  Der Geschäftsführer der Beklagte handelte nach den genannten Vorschriften des MiLoG  zwar ordnungswidrig, da er, wenn nicht vorsätzlich dann doch zumindest fahrlässig das dort genannte Arbeitsentgelt nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt hatte. Dies betrifft auch den Geschäftsführer, da es sich zwar bei der Arbeitgeberstellung im Sinne des § 20 MiLoG um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne der Bußgeldvorschriften handelt. Im Anwendungsbereich des MiLoG erstreckt sich die Bußgeldbewehrung der unterlassenen oder verspäteten Zahlung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohns aber auch auf die handelnden Geschäftsführer einer GmbH.

Als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB kommen aber für die Arbeitnehmer der GmbH nur solche gesetzlichen Gebote oder Verbote in Betracht, durch die das geschützte Interesse, der Kreis der geschützten Personen wie auch die Art der Verletzung hinreichend klargestellt und bestimmt ist.

Eine Rechtsnorm kann nur dann ein Schutzgesetz sein, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise vor einer bestimmten Rechtsgutverletzung zu schützen. 

Das BAG hat sich dann intensiv mit Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes auseinandergesetzt. Hierbei hatten die Erfurter Richter zu prüfen, ob der Gesetzgeber bei Erlass der Vorschrift gerade auch einen Rechtsschutz zugunsten von Einzelpersonen oder einen bestimmten Personenkreis zumindest auch mit gewollt hat.

In Anwendung dieser Grundsätze stellen die einleitend genannten Vorschriften des MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG aber kein Schutzgesetz für die Beschäftigten im Verhältnis zum Geschäftsführer dar.

Der Gesetzgeber hat zwar mit dem Mindestlohngesetz sowohl Individual- als auch Gemeinwohlinteressen verfolgt und auch der geschützte Personenkreis ist klar und deutlich ersichtlich. Durch die Normierung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt soll insbesondere auch die geschützte Menschenwürde im Rahmen einer Existenzsicherung durch das Arbeitseinkommen gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund ist auch die Bußgeldandrohung zu sehen, die den Arbeitgeber dazu anhalten soll, seiner Verpflichtung zur rechtzeitigen Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns in tatsächlicher Art und Weise auch nachzukommen. Nach der Begründung im Gesetzentwurf hat es der Gesetzgeber aber nicht als ausreichend erachtet, hier die Beschäftigten rein auf die zivilrechtliche Durchsetzung ihrer Mindestlohnansprüche zu verweisen, sondern diesen Bußgeldtatbestand vorgesehen.

Während es sich aber bei den §§ 266a Abs. 2 und 3 StGB, bei denen es um das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt geht, anerkanntermaßen um Schutzgesetze zugunsten der Beschäftigten handelt, verneint das BAG hier ein Schutzgesetz zugunsten des Arbeitnehmers. Es wurde gefolgert, dass es im Hinblick auf die Zahlung und zwar auch in Höhe des Mindestlohns an einer vergleichbaren treuhänderischen Bindung des Arbeitgebers fehlt.

Das Bundesarbeitsgericht legt insoweit dar, dass es keine allgemeine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich der Lohnzahlungen und sonstiger Leistungen im Austauschverhältnis sieht.

Kommentar

Im konkreten Fall hat das BAG zwar die Vorschriften des MiLoG in Verbindung mit den Bußgeldtatbeständen nicht als Schutzgesetz der Arbeitnehmer gegen den Geschäftsführer selbst angesehen. Dies ist aber kein Freischein für die Unternehmensleitung, den Mindestlohn nicht, nur teilweise oder verspätet zu zahlen. Die Bußgeldtatbestände sind – da es sich nur um ein zivilrechtliches Verfahren handelte – hiervon nicht betroffen und diese treffen den Geschäftsführer selbstverständlich auch persönlich.

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Autor

Bernd-Uwe Sätzler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Zertifizierter Compliance Officer

Der Autor ist Partner der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn