Servicemitarbeiter mit dürftigen Telefoniezeiten: fristlose Kündigung

Ein Arbeitgeber kündigte zwei Mitarbeitern wegen Arbeitszeitbetrugs. Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven gab dem Arbeitgeber recht (Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, Urteile vom 14.12.2023 – 2 Ca 2206/23 und 2 Ca 2207/23 – Pressemitteilung vom 14.12.2023).

Sachverhalt

Die Kläger waren als Servicemitarbeiter bei P.N. im Bereich des Bürgertelefons B. beschäftigt. Die beklagte Arbeitgeberin warf den Klägern vor, sie hätten in besonders geringem Umfang Telefonanrufe entgegengenommen. Die Arbeitgeberin konnte eine nachträgliche Auswertung der Telefoniezeiten der Kläger in einem Zeitraum von März bis Mai 2023 vorlegen. Der Auswertung hatte der Personalrat im Vorfeld ausdrücklich zugestimmt. Die Beklagte hatte das Telefonverhalten der Mitarbeiter ausgewertet und aufgrund festgestellter Auffälligkeiten einen Arbeitszeitbetrug angenommen.

Die Arbeitnehmer klagten vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven auf Beschäftigung. Sie wandten ein, die Kündigungen seien nicht rechtmäßig. Aus den ausgewerteten Daten ergebe sich nur, wie viel Prozent der Arbeitszeit sie mit Telefonaten zugebracht hätten. Die Zahl der Anrufe sei ebenso wenig erfasst worden noch etwaige technische Probleme. Außerdem sei die Auswertung des Telefonverhaltens unzulässig. Von der Dienstvereinbarung sei die Maßnahme des Arbeitgebers nicht gedeckt. Es fehle zudem sowohl an Abmahnungen als auch an einer Anhörung.

Entscheidung

Beide Kündigungsschutzklagen wurden abgewiesen.

Vorsätzlich vertragswidrige Vernachlässigung der Arbeitspflicht

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven folgte der Argumentation der Arbeitnehmer nicht, wonach es sich allenfalls um eine unterdurchschnittliche Leistung handele. Vielmehr ließen die Telefoniezeiten den Schluss einer vorsätzlich vertragswidrigen Vernachlässigung der Arbeitspflicht zu. Hierbei berücksichtigte die Kammer, dass der Arbeitgeber nach Abzug u.a. von Nachbearbeitungszeiten und Bildschirmarbeitspausen nur Telefoniezeiten im Umfang von 60 Prozent der dienstplanmäßigen Arbeitszeit an einem Tag erwartet habe. Die Richter stellten fest, dass die Kläger an bestimmten einzelnen Tagen Telefoniezeiten zwischen 30 und 35 Prozent bzw. zwischen 16 und 33 Prozent leisteten.

Zustimmung des Personalrats

Zwar sei nach der Dienstvereinbarung die Auswertung zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Arbeitnehmern untersagt. Allerdings habe der Personalrat den Auswertungen zuvor jeweils ausdrücklich zugestimmt. Ob die Daten rechtswidrig gewonnen waren, habe das Gericht daher offen lassen können.

Datenschutz ist kein Tatenschutz

Hintergrund ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach selbst Daten, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen, verwertbar sind, wenn die Gewinnung der Daten nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht (BAG, Urteil vom 14.09.2023 – 2 AZR 296/22).

Für eine Auswertung der Daten aus sachfremden Motiven, z.B. wegen einer Gewerkschaftsmitgliedschaft sah das Gericht keine Anhaltspunkte.

Hinweise

Die Kläger kündigten an, gegen die Urteile in die Berufung zu gehen.

Die beiden arbeitsgerichtlichen Verfahren erlangten öffentliche Aufmerksamkeit, unter anderem berichtete Radio Bremen. Arbeitgeberin war die Freie Hansestadt Bremen. Auch hatte sich die Gewerkschaft Verdi zu Wort gemeldet und warf dem Arbeitgeber vor, Mitarbeiter heimlich zu überwachen.

Führungskräfte und Personaler können ein Lied davon singen, dass sie der richtige Umgang mit Low Performern vor große Herausforderungen stellt.

Aus Arbeitgebersicht ist es häufig schwierig, dem Arbeitnehmer eine kündigungsrelevante Schlechtleistung nachzuweisen. In vielen Fällen scheitert eine verhaltensbedingte Kündigung auch daran, dass es an einschlägigen vorherigen Abmahnungen fehlt.

Einfacher tut man sich als Arbeitgeber, wenn man dem Arbeitnehmer ein strafrechtlich relevantes Verhalten, hier einen Arbeitszeitbetrug nachweisen kann und dies auf Daten stützen kann. Bei vom Arbeitnehmer bei der Arbeit begangenen Straftaten ist eine vorherige Abmahnung in aller Regel nicht notwendig.

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Autor

Michael Englert
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Der Autor ist Associate der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn