Strafrecht: Nötigung wegen Straßenblockaden
Straßenblockaden als Mittel, um auf seine Anliegen aufmerksam zu machen, haben durch Aktionen von Klimaktivisten sowie im Zuge der Bauernproteste an Bedeutung gewonnen. Unlängst haben die Strafverfolgungsbehörden auch prompt auf die neuere Entwicklung reagiert. So hat ja bekanntlich das AG Heilbronn Klima-Aktivisten im beschleunigten Verfahren zu Haft- und Geldstrafen, aber auch Freiheitsstrafen von drei beziehungsweise zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Bei der Beurteilung der einzelnen Tatbestandsmerkmale waren nicht alle Gerichte so konsequent. Dies hat zur Einlegung zahlreicher Rechtsmittel u.a. auch durch die Staatsanwaltschaften geführt, so z.B. durch die Staatsanwaltschaft in einem Fall, der vom AG Freiburg (Urteil vom 21.11.2022, Az.: 24 Cs 450 Js 18098/22) entschieden wurde.
Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 20.02.2024, Az.: 2 ORs 35 Ss 120/23) hat das letztendlich freisprechende Urteil des AG Freiburg gegen einen Klima-Aktivisten wegen seiner Beteiligung an mehreren Straßenblockaden aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG Freiburg zurückverwiesen.
Das AG stellte zwar fest, dass objektiv Nötigungshandlungen vorgelegen hätten, es fehle jedoch an der für die Strafbarkeit erforderlichen Verwerflichkeit gemäß § 240 Abs. 2 StGB.
Die gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision zum OLG Karlsruhe ein, welches diese als begründet ansah. Im Revisionsverfahren bestätigte der Senat zwar die Ansicht des Amtsgerichts, dass nach der sog. „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs in allen Fällen der Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) verwirklicht wurde, die Bewertung des Merkmals der Verwerflichkeit hielt dagegen der rechtlichen Überprüfung durch den Senat nicht stand. Der Begriff der Verwerflichkeit sei nicht im Sinne eines „moralischen Werturteils“ zu verstehen, sondern bedeute „sozialwidriges Verhalten“. Bei der Beurteilung, ob ein Verhalten verwerflich sei, müssten deshalb alle für die sog. Mittel-Zweck-Relation wesentlichen Umstände erfasst und eine Abwägung der betroffenen Güter und Interessen nach ihrem jeweiligen Gewicht in der konkreten Situation vorgenommen werden. In diesem Rahmen seien auch die Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Grundrechte zu berücksichtigen. Wesentliche Abwägungskriterien seien deshalb u.a. Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Möglichkeiten der Umgehung der Blockade, sowie der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Verkehrsteilnehmern und dem Ziel des Protestes.
Das Urteil des AG sei insoweit lückenhaft, so der Senat, weil es nicht zu allen für die konkrete Abwägung relevanten Umständen hinreichende Feststellungen getroffen habe. So habe das Amtsgericht u.a. die Blockadedauer sowie das Ausmaß der hierdurch verursachten Verkehrsbeeinträchtigungen nicht ausreichend festgestellt. Zudem fehle es an hinreichenden Feststellungen zu Ausweichmöglichkeiten für die von den Straßenblockaden betroffenen Verkehrsteilnehmern. Insbesondere habe das Amtsgericht aber keine ausreichende Abwägung zwischen den betroffenen Interessen vorgenommen, d.h. welche Beziehung zwischen den betroffenen Verkehrsteilnehmern und dem konkret verfolgten Ziel der Aktivisten bestand. Im konkreten Fall habe nämlich nur teilweise ein Bezug zwischen den blockierten Verkehrsteilnehmern Und dem Grund der Blockade, nämlich dem CO2-Ausstoß und der Forderung nach Tempolimits auf Autobahnen einen konkreten Bezug aufgewiesen. Zu dem ebenfalls verfolgten Blockadegrund der Lebensmittelverschwendung habe dagegen allenfalls eine mittelbare Verbindung bestanden.
Der Senat hat abschließend darauf hingewiesen, dass ungeachtet der noch im Einzelnen zu treffenden Feststellungen jedenfalls bei einer unangekündigten Blockade einer Hauptverkehrsstraße über einen nicht unerheblichen Zeitraum, die mangels hinreichender Ausweichmöglichkeiten zu einem erheblichen Rückstau für die davon betroffenen Verkehrsteilnehmer führt, angesichts des nur teilweisen Bezugs der von der Blockade betroffenen Verkehrsteilnehmer mit den von Aktivisten verfolgten Zielen die Verneinung der Verwerflichkeit eher fernliegen dürfte.
Ähnlich hat dies auch das Kammergericht Berlin in einem ähnlichen Fall gesehen (Beschluss vom 31.01.2024, Az.: 3 ORs 69/23) und die Entscheidungen der Vorinstanzen, in denen wegen Nötigung verurteilt wurde bestätigt. Auch hier hat das Gericht nochmals die von der Rechtsprechung entwickelten Abwägungskriterien, wie z.B. Ankündigung, Dauer, Art und Ausmaß der Blockade, Motive der Aktivisten, sowie Ziel der Aktion besonders hervorgehoben.
Autor
Dr. Andreas Hatz
Rechtsanwalt
Der Autor ist Associate der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn.
Sein Schwerpunkt liegt im Strafrecht. Er verfügt über eine bereits ein Jahrzehnt lange Erfahrung in seinem Aufgabengebiet, insbesondere als Strafverteidiger.
Dr. Andreas Hatz ist trotz seiner beruflichen Entwicklung auch immer der Wissenschaft treu geblieben; so hat er unter anderem im Strafrecht promoviert sowie zahlreiche Beiträge in juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht.