Immobilienrecht: Familie muss ersteigertes Grundstück und Haus wegen Justizfehler räumen

Eine Zwangsversteigerung kann fehlerhaft erfolgen, wie eine aktuelle Entscheidung des OLG Brandenburg zeigt (OLG Brandenburg, Urteil vom 29.06.2023 – 5 U 81/20). Dies kann für den Ersteigerer existenzbedrohend werden.

Update (05.03.2024)
Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist beim Bundesgerichtshof eingegangen (Az. V ZR 153/23).

Sachverhalt (verkürzt)

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit dem ebenfalls streitigen Eigentum an einem Grundstück, das die Beklagten aufgrund eines später aufgehobenen Zwangsversteigerungsbeschlusses erworben hatten.

Das Amtsgericht Luckenwalde führte über das Grundstück ein Zwangsversteigerungsverfahren durch. Der Zwangsversteigerung lag zugrunde, dass der Erbe des damals verwilderten Grundstücks bei der Stadt Schulden hatte und angeblich nicht erreicht werden konnte. Aufgrund dieses Verfahrens erlangte die Beklagte zu 1 ) durch den Zuschlagbeschluss vom 21. April 2010 das Eigentum und wurde am 28. August 2010 als Eigentümerin eingetragen. Die Beklagte zu 1) und ihr Ehemann, der Beklagte zu 2), ließen das auf dem Grundstück befindliche Wochenendhaus abreißen. Sie errichteten ein neues Wohnhaus. Das Hausgrundstück wird von ihnen seit dem 1. August 2012 bewohnt.

Der Kläger wendete sich mit außerordentlicher Beschwerde, einer sogenannten Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Zuschlag. Er begründete dies damit, dass er am Zwangsversteigerungsverfahren nicht beteiligt worden sei. Hintergrund war, dass das Amtsgericht seinerzeit nicht hinreichend nach dem Erben, hier dem im Ausland lebenden Kläger gesucht hatte.

Das Landgericht Potsdam hob mit Beschluss vom 11. März 2014 den Zuschlagsbeschluss auf. Die hiergegen von der Beklagten erhobene Gehörsrüge hatte ebenso wenig Erfolg wie ihre beim Bundesverfassungsgericht erhobene Verfassungsbeschwerde.

Entscheidung

Im Kern hatte das OLG Brandenburg, über die Frage zu entscheiden, ob der Kläger sein Eigentum verloren hatte oder nicht. Denn nur dann stünden ihm etwaige Ansprüche auf Grundbuchberichtigung, Räumung und Herausgabe des Grundstücks, Nutzungsentschädigung etc. zu. 

Der Kläger hat sein Eigentum hiernach nicht (endgültig) verloren. Der rechtskräftig aufgehobene Zuschlag habe nicht zu einem Verlust des Eigentums geführt.

Zwar bewirkt der Zuschlag zunächst einen Eigentumserwerb des Erstehers nach § 90 Abs. 1 ZVG. Falls wie hier jedoch der Zuschlag rechtskräftig aufgehoben wird, entfallen seine Wirkungen rückwirkend. Der Kläger ist damit rückwirkend wieder (materiell-rechtlicher) Eigentümer geworden. 

Zwar wurde die Revision nicht zugelassen. Dagegen könnten die Beklagten aber vorgehen und als „letzten Strohhalm“ noch vor den Bundesgerichtshof ziehen.

Hinweis

Man kann im Rahmen einer Zwangsversteigerung durchaus mal ein Schnäppchen machen und eine Immobilie kostengünstig erwerben. Eine ersteigerte Immobilie birgt aber auch Risiken: regelmäßig wird der Ersteigerer die Immobilie vor Erwerb nicht von innen, sondern nur von außen besichtigen können. Etwaige Schäden und Sanierungskosten sind häufig nur schwer zu kalkulieren. Bei bewohnten Häusern müssen Ersteigerer auch damit rechnen, dass die Bewohner nicht freiwillig ausziehen, sondern Räumungsschutz beantragen und so den Auszug in die Länge ziehen.

Justizfehler bei einer Zwangsversteigerung können, wie in der dargestellten Entscheidung dazu führen, dass der Traum von der eigenen Immobilie sich Jahre später als Alptraum entpuppt. Im Ergebnis muss die Familie – sollte die Entscheidung rechtskräftig werden – das von ihr errichtete Eigenheim abreißen und das Grundstück an den Eigentümer übergeben. Laut Presse sollen alleine die eigenen Verfahrenskosten bei rund 65.000,00 Euro liegen. Zudem müssten die Beklagten für die Verfahrenkosten des Klägers aufkommen. Abgesehen davon stellt ein Rechtsstreit, der sich hier über ein Jahrzehnt zieht, für die Parteien regelmäßig eine erhebliche emotionale Belastung dar.

Für die Familie gibt es (hoffentlich) ein Happy End: das Bundesland Brandenburg prüft, ob es die Familie wegen des Fehlers des Amtsgerichts entschädigt. Dies vermutlich auch, um einen naheliegenden Amtshaftungsprozess zu vermeiden.

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Autor

Michael Englert
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Der Autor ist Associate der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn