Update Covid-19: Insolvenzrecht 2021

Hilfsprogramme für Unternehmen

Im Zuge der Bewältigung der Folgen der COVID-19 Pandemie in Deutschland wurde eine Vielzahl von Hilfsprogrammen aufgelegt, mit denen die von der Krise betroffenen Unternehmen stabilisiert werden sollten. Dazu zählen unter anderem
  • die Überbrückungshilfe III mit einem Förderzeitraum bis Juni 2021,
  • die Erhöhung der Möglichkeiten von steuerlichen Verlustrückträgen,
  • die Mehrwertsteuersenkungen für die Gastronomie bis 31.12.2022,
  • Steuerstundungen als Liquiditätshilfe und
  • Einzelmaßnahmen in Form von Darlehen oder Zuschüssen seitens des Bundes sowie der Länder.

Zeitlich befristete Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Nicht zuletzt war auch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Kapitalgesellschaften für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis einschließlich 30.04.2021 durch das COVInsAG unter strengen Voraussetzungen beschlossen worden. Diese Sonderregelung war auf Unternehmen anzuwenden, die im Zeitraum vom 01.11.2020 bis einschließlich 28.02.2021 einen Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen der staatlich aufgelegten Hilfsprogramme gestellt hatten oder soweit dies nicht möglich war, in den Kreis der Anspruchsberechtigten gefallen wären. Von dieser Aussetzung waren sowohl die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit als auch wegen Überschuldung erfasst.
Diese Aussetzung erfasste nach § 1 Absatz 3 Satz 1 COVInsAG, soweit alle Voraussetzungen erfüllt waren, die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags antragspflichtiger Unternehmen für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis 30.04.2021. Sobald während dieses Zeitraumes nicht mehr alle Aussetzungsvoraussetzungen vorlagen, setzte die Insolvenzantragspflicht unmittelbar wieder ein.
 

Änderungen ab Mai 2021

Zum 01.05.2021 gilt diese Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht mehr und die vertretungsberechtigten Organe von Unternehmen müssen seit 01.05.2021 wieder kontinuierlich prüfen, ob die Voraussetzungen einer Insolvenzantragspflicht eventuell gegeben sind. Hierzu gehört eine integrierte und konsequent nachgehaltene Liquiditätsplanung, die der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2019 zur sogenannten „Bugwellentheorie“ Rechnung trägt.

Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie

Beschleunigt durch die Covid-19 Pandemie sowie in Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie wurde das sogenannte „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ im Eiltempo von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Das Gesetz ist zum 01.01.2021 in Kraft getreten, wobei einzelne Vorschriften erst zum 17.07.2021 angewendet werden.

Gesetzgeberische Zielsetzung

Das Gesetz schließt die Lücke zwischen einer außergerichtlichen Restrukturierung und der Restrukturierung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, eine Sanierung bzw. Restrukturierung eines Unternehmens auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens gegen den Willen einzelner Gläubiger umzusetzen. Dies war früher nicht der Fall. Nach alter Rechtslage konnte ein einziger Gläubiger gegen die Mehrheit der Gläubiger eine Restrukturierung torpedieren, womit dann der Gang zum Insolvenzgericht unausweichlich war. Ziel der gesetzlichen Neuregelung ist es, krisenbefangenen Unternehmen frühzeitig die Möglichkeit zu eröffnen, gezielt wirtschaftliche Schwierigkeiten strukturiert zu überwinden.

Restrukturierungsplan

Kern dieser Restrukturierungsmöglichkeit ist ein gesetzlich geregelter sogenannter Restrukturierungsplan. Pate stand hierbei das bereits existierende Instrument des Insolvenzplans im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, das dem Restrukturierungsplan an manchen Stellen ähnelt. Der Restrukturierungsplan kann durch das Unternehmen eigenverantwortlich ausgearbeitet werden und verlangt in Abweichung von der bisherigen außergerichtlichen Sanierung nicht mehr die Zustimmung aller Gläubiger. Eine Umsetzung des Restrukturierungsplans ist auch dann möglich, wenn in den gebildeten Gläubigergruppen 75 Prozent der Mehrheiten innerhalb dieser Gruppe erzielt wird. Dabei können dann sogar widersprechende Gruppen überstimmt werden, wenn die Mehrheit der Gruppen dem Restrukturierungsplan zustimmt. Durch Einbindung des Gerichts außerhalb des Insolvenzverfahrens können sogar Vollstreckungsmaßnahmen während dieser Zeit unterbunden werden. Grenzen findet der Restrukturierungsplan bei laufenden langfristigen Verträgen, die Unternehmen besonders belasten können. Solche Verträge können, anders als dies der ursprüngliche Gesetzesentwurf vorsah, nicht ohne Zustimmung der Vertragspartner aufgelöst werden. 

Anwendung bei drohender Zahlungsunfähigkeit

Ein Restrukturierungsplan kommt bei drohender Zahlungsunfähigkeit in Betracht. Ist hingegen bereits eine Zahlungsunfähigkeit eingetreten, ist dem Schuldner ein Restrukturierungsplan verwehrt. Verkürzt ausgedrückt liegt eine drohende Zahlungsunfähigkeit dann vor, wenn im Rahmen einer integrierten Unternehmensplanung die überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass das Unternehmen innerhalb des Prognosezeitraums von 24 Monaten zahlungsunfähig wird und eine nicht gedeckte Liquiditätslücke aufweist.

Rückfragen? Beantworten wir gerne persönlich.

Die Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn berät seit vielen Jahren mittelständische Unternehmen erfolgreich in schwierigen wirtschaftlichen Situationen, federführend durch Rechtsanwalt Harry Kressl. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht und Wirtschaftsmediator ist er spezialisiert auf die Begleitung von Unternehmen in Krisensituationen, die Restrukturierung in wirtschaftlichen und rechtlichen Belangen und die Begleitung der geschäftsführenden Organe. Sein reichhaltiger Erfahrungsschatz aus über 20 Jahren Tätigkeit als Insolvenzverwalter runden seine Expertise ab.

Autor

Harry Kressl
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Wirtschaftsmediator

Der Autor ist Partner der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn