Bankenrecht: Rückzahlungspflicht des Kontoinhabers bei Fehlüberweisung

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat jüngst entschieden, dass ein Kontoinhaber das Geld aus einer Fehlüberweisung aus einer nicht näher bekannten Quelle auf das eigene Konto zurückzahlen muss. Anders als das Landgericht Heilbronn in der I. Instanz hat das OLG Stuttgart eine Entreicherung verneint (OLG Stuttgart, Urteil vom 17. November 2022 – 2 U 219/21 –, juris).

Sachverhalt (verkürzt)

Die klagende Bank verlangt vom Beklagten einen finanziellen Ausgleich für drei auf dessen Konto geleistete Überweisungen.

Der Kunde Z. unterhält bei der Klägerin ein Bankkonto. Bei der Klägerin wurden drei Überweisungsaufträge mit Z. als vermeintlichem Auftraggeber und dem Konto des Beklagten als Zielkonto eingereicht. Die Aufträge wurden von der Klägerin ausgeführt. Wie sich im Nachhinein herausstellte, waren die Unterschriften auf den Überweisungsträgern gefälscht. Die Klägerin schrieb dem Kunden Z. die Beträge wieder gut.

Die Klägerin verlangt nun vom Beklagten die Rückerstattung des Geldes. Der Beklagte verteidigt sich mit dem Einwand der Entreicherung. Er habe über ein in Russland verbreitetes soziales Netzwerk von einem „Wladimir“ eine Anfrage erhalten, im Auftrag einer Firma S. in Deutschland Bitcoins zu erwerben. Von der Klagesumme, die seinem Konto gutgeschrieben worden sei, habe er einen Großteil dafür verwendet, Bitcoins zu erwerben. Dies habe er dann auf die Bitcoin-Geldbörse des Auftraggebers übertragen. Für das Geschäft habe er eine Provision erhalten. 

Der Beklagte beruft sich auf die Einrede der Entreicherung. Das Geld ist beim Auftraggeber und damit nicht mehr bei ihm. Er sei nicht bösgläubig, Alleine der Umstand, dass das Geld vom Konto eines Dritten kam, reiche für eine Bösgläubigkeit nicht aus. Die Firma, die ihm den Auftrag zum Erwerb von Bitcoins erteilt habe, habe ihm mitgeteilt, sie habe Kunden, die Rechnungen auf ein EU-Konto zahlen wollten. Die Bank habe leichtfertig gehandelt. Sie habe die Überweisungsaufträge durchgeführt, ohne diese zu prüfen.

Entscheidung

Das OLG Stuttgart bejahte einen Anspruch der Bank gegen den Beklagten auf Rückzahlung der überwiesenen Beträge unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Anspruchsgrundlage ist § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB.

Das Berufungsgericht bejahte einen Anspruch der Bank, obwohl der Leistungsaustausch im Verhältnis des Kunden Z. und dem Beklagten stattfand. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH Az. XI ZR 243/13) begründet ein – wie hier – nicht autorisierter Zahlungsvorgang einen Anspruch des Zahlungsdienstleister, also der Bank gegen den Zahlungsempfänger, hier den Beklagten.

Eine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB liege nicht vor. Denn hier greife die verschärfte Haftung gemäß § 819 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 818 Abs. 4 BGB.

Vorliegend kam das Berufungsgericht zum Schluss, dass der Beklagte vor der möglichen Einsicht, das Geld nicht behalten zu dürfen, geradezu die Augen verschlossen habe. Es habe sich bei der Beauftragung über das soziale Netzwerk um einen ungewöhnlichen Vorgang gehandelt. Insbesondere, da es sich beim Ansprechpartner „Wladimir“ um eine dem Beklagten vollkommen unbekannte und nicht identifizierbare Person gehandelt habe. Aufgrund des vom Beklagten geschilderten Zahlungssystems musste sich beim Beklagten, so das Berufungsgericht, die Überlegung aufdrängen, dass das ihm für die Zwecke des Kaufs von Bitcoins zur Verfügung gestellte Geld wohl aus einer kriminellen Handlung stammte und sein Tätigwerden dazu diente, Beute zu erlangen bzw. zu sichern.

Anmerkung

Es klingt verlockend, wenn durch eine Fehlüberweisung ein unverhoffter Geldsegen auf dem eigenen Konto landet. 

Doch Vorsicht: das Geld darf man nicht behalten. Denn es handelt sich um eine ungerechtfertigte Bereicherung, die an den Gläubiger bis auf wenige Ausnahmefälle wieder herauszugeben ist. 

Gerade bei größeren Summen empfiehlt es sich, die Bank zu kontaktieren. Keine gute Idee ist es, sich auf den Standpunkt zu stellen, man habe die Fehlüberweisung gar nicht bemerkt und das Geld verbraucht („Entreicherung“). Die Rechtsprechung neigt gerade bei größeren Beträgen oder ungewöhnlichen Zahlungsvorgängen dazu, eine Bösgläubigkeit des Kontoinhabers anzunehmen. Der Einwand der Entreicherung ist dann ausgeschlossen, wie in dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall.

Umgekehrt sollte man die eigene Bank unverzüglich informieren, sollte man bei der Banküberweisung einen falschen Zahlungsempfänger angegeben haben. Gerade im elektronischen Zahlungsverkehr ist ein Fehler bei der Überweisung schnell einmal passiert. In manchen Fällen kann die Fehlüberweisung noch zurückgeholt werden.

Ist das Geld erst beim falschen Empfänger angekommen, bleibt häufig nur der kosten- und zeitintensive Weg, den Betrag einzuklagen.

Der Sachverhalt, insbesondere die Einlassung des Beklagten erinnert am Rande an die strafrechtlich relevanten Finanzagenten-Fälle („money mule“): hierbei transferieren Kriminelle über das Konto eines ahnungslosen Strohmanns, dem Provisionen für die Transaktion versprochen werden, Gelder ins Ausland.

Rückfragen? Beantworten wir gerne persönlich.

Autor

Michael Englert
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Der Autor ist Associate der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn