Gesellschaftsrechtliche Erleichterungen zur Abmilderung der Corona-Folgen
Gesellschaftsrechtliche Erleichterungen zur Abmilderung der Corona-Folgen
Zur Abmilderung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie hat der Bundestag ein ganzes Gesetzespaket mit Regelungen auf dem Gebiet des Gesellschafts- und Insolvenzrecht beschlossen. Neben dem Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz hat der Bundestag auch das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Vereins-, Genossenschafts- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus auf den Weg gebracht.
Rechtsanwalt Michael A. Lohmayer, Kanzlei Pfefferle Helberg & Partner, Heilbronn, informiert Sie über die Schwerpunkte dieses Gesetzes, insbesondere über die Erleichterungen für Beschlussfassungen der Gesellschaftsorgane.
Änderungen für die GmbH
Für die GmbH sieht das Gesetz Erleichterungen für die Fassung von Gesellschafterbeschlüssen vor. Grundsätzlich können Gesellschafter einer GmbH Beschlüsse auch ohne Gesellschafterversammlung schriftlich fassen, wenn entweder sämtliche Gesellschafter ihre Zustimmung zu einem bestimmten Beschlussgegenstand in Textform erklären oder sich sämtliche Gesellschafter mit der schriftlichen Abstimmung einverstanden erklären. Nach neuen gesetzlichen Regelung ist abweichend hiervon eine Beschlussfassung in Textform auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter möglich, es bedarf hier lediglich der (einfachen) Mehrheit.
Diese Regelung ist vorerst nur für Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse anzuwenden, die im Jahr 2020 stattfinden.
Änderungen für Vereine und Stiftungen
Auch für Vereine und Stiftungen sind Erleichterungen vorgesehen. Der Vorstand kann ohne ausdrückliche Ermächtigung in der Satzung eine Mitgliederversammlung ohne physische Anwesenheit der Mitglieder durchführen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben oder das Stimmrecht ohne Teilnahme vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abgeben lassen.
Ein Beschluss im schriftlichen Verfahren ist auch dann wirksam, wenn entgegen der gesetzlichen Regelung nicht sämtliche Mitglieder zustimmen, sondern wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimme in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.
Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt nun auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder der Neubestellung seines Nachfolgers im Amt.
Auch hier sind die Regelungen auf das Jahr 2020 beschränkt.
Änderungen für Aktiengesellschaften
Bei den Aktiengesellschaften kann der Vorstand nun auch ohne Satzungsregelung die Hauptversammlung ohne physische Präsenz als virtuelle Hauptversammlung im Wege elektronischer Kommunikation durchführen (§ 118 Abs. 1 S. 2 AktG) und die Stimmabgabe schriftlich oder im Wege der elektronischen Kommunikation zulassen (Briefwahl, § 118 Abs. 2 AktG). Zudem kann der Vorstand die Bild- und Tonübertragung der Hauptversammlung zulassen.
Diese Möglichkeiten bestanden zwar schon bisher und sollten eine zusätzliche Teilnahmemöglichkeit an einer Hauptversammlung gewähren. Voraussetzung war aber, dass es entsprechende Satzungsregelungen gab.
Jetzt gilt dies auch ohne Satzungsregelung, wenn verschiedene Voraussetzungen zur Wahrung der Aktionärsrechte erfüllt sind:
- Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung,
- Möglichkeit zur Stimmrechtsausübung über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung,
- Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation und Beantwortung der Fragen nach pflichtgemäßen Ermessen,
- Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung für Aktionäre, die ihr Stimmrecht über elektronische Kommunikation ausgeübt haben (in Abweichung zu § 245 Nr. 1 AktG, der grundsätzlich das Erscheinen in der Hauptversammlung voraussetzt).
Virtuelle Gesellschafter- bzw. Mitgliederversammlungen können etwa im Wege einer Telefon- oder Videokonferenz (z.B. Skype oder FaceTime), WhatsApp, … oder durch Einloggen in eine Chat-Plattform durchgeführt werden.
Bei virtuellen Versammlungen ist insbesondere sicherzustellen, dass nur Berechtigte an der Versammlung teilnehmen. So kann z.B. ein Chat-Raum so ausgestaltet werden, dass dieser nur mit Legitimationsdaten zugänglich ist. Soll eine geheime Abstimmung erfolgen, muss gewährleistet werden, dass sich dies mit dem gewählten elektronischen Medium technisch umsetzen lässt.
Das Gesetz enthält keine Regelung dazu, ob auch der Vorstand und der Aufsichtsrat (auch ohne Satzungsregelung) lediglich virtuell an der Hauptversammlung teilnehmen können. Der bei beurkundungspflichtigen Beschlüssen erforderliche Notar sollte, so die Gesetzesbegründung, für die Durchführung der Beurkundung am Aufenthaltsort des Versammlungsleiters zugegen sein.
Um Anreize für virtuelle Hauptversammlung zu schaffen, wurde das Anfechtungsrecht wegen Verstößen gegen die Einberufungs- und Teilnahmevorschriften auf vorsätzliche und grob fahrlässige Verstöße eingeschränkt. Zudem wird die Mindestfrist für die Einberufung der Hauptversammlung verkürzt sowie, die Frist zur Durchführung der ordentlichen Hauptversammlung verlängert.
Sämtliche Entscheidungen des Vorstands auf Grundlage dieses Gesetzes bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats, der den Beschluss über die Zustimmung auch ohne entsprechende Regelung in der Satzung oder Geschäftsordnung ohne physische Anwesenheit der Mitglieder schriftlich, fernmündlich oder in vergleichbarer Weise (z.B. in einer Videokonferenz) fassen kann.
Diese Regelungen sollen vorerst nur für Hauptversammlungen gelten, die im Jahr 2020 stattfinden.
Änderungen für die Genossenschaft
Bei der Genossenschaft können nun Beschlüsse der Mitglieder schriftlich oder elektronisch gefasst werden, auch wenn dies die Satzung nicht ausdrücklich zulässt. Bei jedem Mitglied, das an der Beschlussfassung mitgewirkt hat, ist zu vermerken, auf welche Art die Stimmabgabe erfolgt ist. Die Einberufung zur General- oder Vertreterversammlung kann zudem, ungeachtet der derzeitigen Satzungsregelung, auf der Homepage der Genossenschaft oder durch unmittelbare Benachrichtigung der Mitglieder in Textform erfolgen.
Darüber hinaus kann die Feststellung des Jahresabschlusses auch durch den Aufsichtsrat erfolgen, etwa für den Fall, dass die Genossenschaft nicht in der Lage ist, eine virtuelle General- oder Vertreterversammlung durchzuführen.
Auch die Sitzungen des Vorstands oder des Aufsichtsrats sowie die gemeinsamen Sitzungen des Vorstands und des Aufsichtsrats können nun auch ohne Grundlage in der Satzung oder Geschäftsordnung im Umlaufverfahren in Textform oder als Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden.
Schließlich bleiben die Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats nun auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt.
Auch hier sind die Regelungen auf das Jahr 2020 beschränkt.
Autor
Michael A. Lohmayer
Rechtsanwalt
Der Autor ist Partner der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn