
Landgericht Heilbronn weist Klage der SPD-Politikerin Sawsan Chebli auf Unterlassung und Geldentschädigung wegen Beleidigung und übler Nachrede ab
In einem Rechtsstreit über einen Facebook-Kommentar ist die SPD-Politikerin Sawsan Chebli mit ihrer Unterlassungs- und Geldentschädigungsklage wegen Beleidigung nun vor dem Landgericht Heilbronn gescheitert. Ebenso konnte das in dieser Sache auf die Strafanzeige der Politikerin hin eingeleitete Strafverfahren zur Einstellung gebracht werden. In beiden Fällen hat die Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner durch ihren Strafrechtler Dr. Andreas Hatz den Beschuldigten bzw. später Beklagten erfolgreich vertreten. Das Landgericht Heilbronn hat nunmehr die Klage der Politikerin mit Urteil vom 23.02.2023 abgewiesen.
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Unterlassung und Geldentschädigung wegen Beleidigung und übler Nachrede auf der Internetplattform Facebook, nachdem von dessen Account ein Beitrag des Mitglieds des Brandenburger Landtags Jan Redmann über die Klägerin wie folgt kommentiert wurde:
„Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie Sawsan Chebli. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden Ihrer Familie begleichen.“
Redmann bezog sich in seinem Beitrag auf einen Twitter – Beitrag der Klägerin, den er verlinkte. Der Beitrag lautete:
„Hat die politische Linke nun endlich einen Vorwand gefunden, einen der wenigen Kabarettisten, der nicht klar links der Mitte steht, vom Sender nehmen zu wollen? Dieter Nuhr hat einen Fehler gemacht, ok. Er ist dennoch ein meist kluger und oft lustiger Beitrag zur Vielfalt in der Medienlandschaft.“
Der verlinkte Beitrag der Klägerin lautete:
„Immer wieder Dieter Nuhr: so ignorant, dumm und uninformiert. Er nur Witze auf Kosten von Minderheiten machen. Wie lange will @ARDde das mitmachen? Unabhängig davon: Kauf das Buch von @alicehasters und bildet euch antirassistisch. Ich verschenke ein paar davon zu Weihnachten.“
Die Klägerin war der Ansicht, dass sie durch die Aussage beleidigt wurde und durch den Kommentar „dämliches Stück Hirnvakuum in der Politik“ nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern vielmehr ihre Diffamierung im Vordergrund stehe, ebenso stelle der Kommentar, sie solle „die Sozialschulden ihrer Familie begleichen“ eine unwahre Tatsachenbehauptung dar.
Entscheidung
Das Landgericht Heilbronn folgte der Argumentation der Beklagtenseite und wies die Klage zu Recht ab. Das Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Äußerung hier noch von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG umfasst ist. Das Gericht stellte hierbei deutlich heraus, dass die Beurteilung, ob der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin rechtswidrig iSd. § 823 Abs. 1 BGB ist, wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange erfordere.
Hierbei müssten die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend berücksichtigt werden. Das LG Heilbronn kam zu dem Ergebnis, dass eine solche Verletzung hier nicht vorlag. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.
Das hohe Gut der Meinungsfreiheit überwiegt in diesem Fall, gerade wenn – wie hier – ein nachvollziehbarer Bezug zur Auseinandersetzung in der Sache gegeben ist. Dies schon deshalb, weil die Äußerungen im Kontext mit der zuvor dargestellten politischen Diskussion gefallen sind. Hier sind die zahlreichen obergerichtlichen Grundsätze zu beachten, die sich mit den Jahren gerade im öffentlichen politischen Meinungskampf entwickelt haben.
Kommentar
Völlig zurecht stellt das Landgericht Heilbronn hier, auch wenn die Klägerin bereits kurz danach nicht müde wurde stets das ihr widerfahrene Unrecht medial auszuschlachten und sich als Opfer darzustellen, noch einmal im Wesentlichen die obergerichtlich hierzu entwickelten Grundsätze, vor allem die des Bundesverfassungsgerichts (siehe u.a. BVerfG: Verurteilung wegen Beleidigung von Politikern; NJW 2020, 2631) und des europäischen Gerichtshofs dar.
Insbesondere sind hier sowohl die Wortwahl (u.a. ignorant, dumm und uninformiert), derer sich die Klägerin hier selbst bedient hat, als auch die Heftigkeit der von ihr selbst geführten Diskussion zu berücksichtigen. Gerade bei öffentlich geführten Diskussionen im politischen Kontext ist scharf formulierte Kritik an politischen Amtsträgern zulässig.
In diesem Zusammenhang stellt das Bundesverfassungsgericht z.B. auch grundsätzlich klar, dass bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen zudem davon auszugehen ist, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet.
Teil dieser Freiheit ist, dass Bürgerinnen und Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträgerinnen und Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden.
Schlussendlich ist festzustellen, dass das Landgericht keinesfalls, wie die Klägerin nunmehr anscheinend zu proklamieren versucht, entschieden hat, dass die hier in Rede stehenden Äußerungen an sich nicht strafbar seien und man in dieser Art und Weise Politiker öffentlich bezeichnen darf, sondern dass diese im vorliegenden Fall und in diesem Kontext von der Meinungsfreiheit gedeckt waren. Insoweit dürfte die vereinzelt aufkommende Empörung in der Politik in der Fachwelt auf wenig Verständnis stoßen.
Einstmals hat die Klägerin auf einer Podiumsdiskussion zur digitalen Zivilcourage verlauten lassen, „Demokratie habe auch ganz viel mit Zumutung zu tun und wir haben verlernt andere Meinungen zu ertragen“. In diesem Punkt ist ihr wohl zuzustimmen.
Rückfragen? Beantworten wir gerne persönlich.
Pfefferle Helberg & Partner mit Sitz in Heilbronn deckt die gesamte Bandbreite des Strafrechts und Nebenstrafrechts ab.
Autor
Dr. Andreas Hatz
Rechtsanwalt
Der Autor ist Associate der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn.
Sein Schwerpunkt liegt im Verkehrsrecht und Strafrecht. Er verfügt über eine bereits ein Jahrzehnt lange Erfahrung in seinem Aufgabengebiet, insbesondere als Strafverteidiger.
Dr. Andreas Hatz ist trotz seiner beruflichen Entwicklung auch immer der Wissenschaft treu geblieben; so hat er unter anderem im Strafrecht promoviert sowie zahlreiche Beiträge in juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht.