Bevollmächtigter darf Vollmacht des Mitbevollmächtigten nicht entziehen

Berater raten nicht selten, mehreren Personen eine General- und Vorsorgevollmacht zu erteilen, mit der sie jeweils einzeln für den Bevollmächtigenden agieren können. Doch was, wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bevollmächtigten entstehen? Kann dann ein Bevollmächtigter die Vollmacht des anderen widerrufen?

In der Regel nein, entschied jetzt das Oberlandesgericht Karlsruhe (Az. 10 W 8/21). In dem zu entscheidenden Fall hatte ein Mann seinem Stiefsohn sowie seinen drei leiblichen Kindern eine notarielle Vorsorge- und Generalvollmacht erteilt. Zwei Jahre nach Erteilung der Vollmacht widerrief ein leiblicher Sohn des Vollmachtgebers die dem Stiefsohn erteilte Vollmacht und forderte diesen zur Herausgabe der Vollmachtsurkunde auf. Der Stiefsohn verweigerte das. Zu Recht, wie die Richter in Karlsruhe urteilten.

Mit der Erteilung einer Vorsorgevollmacht an eine Person ist regelmäßig nicht die Bevollmächtigung zum Widerruf einer gleichzeitig einer weiteren Person erteilten Vollmacht und daher auch nicht zur Erteilung einer entsprechenden Unterbevollmächtigung verbunden. Denn andernfalls wären die Beteiligten ständig der Gefahr ausgesetzt, dass sich einer der Bevollmächtigten – im Falle der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers ggfs. sogar dauerhaft – durch einen Widerruf die Position eines ausschließlich Bevollmächtigten verschafft. Dies will ein Vollmachtgeber im Regelfall nicht, wenn er mehreren Personen eine Einzelvertretungsbefugnis erteilt. Es ist daher nach der Auffassung des OLG Karlsruhe im Wege der Auslegung (§ 133 BGB) eine entsprechende konkludente Beschränkung der Vertretungsmacht jedes Einzelbevollmächtigten anzunehmen (Beschluss vom 24.01.2022, 10 W 8/21; siehe auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.02.2010, 19 U 124/09).

 

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Michael A. Lohmayer beherrscht als Fachanwalt für Erbrecht und Testamentsvollstrecker nicht nur die gesamte Klaviatur der erbrechtlichen Gestaltung, sondern er kann auch als Anwalt trefflich streiten, wenn es sein muss. Die komplizierten familiären, gesellschaftsrechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhänge erfordern meist eine individuelle Regelung. Und Michael Lohmayer gibt sich nicht eher zufrieden, bis er eine wirtschaftlich und steuerlich optimale Erbregelung für seine Mandanten gefunden hat – sowohl für Unternehmen, Unternehmer wie auch für Privatleute.

Autor

Michael A. Lohmayer
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Wirtschaftsmediator
Testamentsvollstrecker (AGT)

Der Autor ist Partner der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn