Arbeitsrecht: dreimal Gelb und doch nicht Rot

Was im Fußball die Gelbe Karte darstellt, ist im Arbeitsrecht die Abmahnung.

Bevor dann durch die Rote Karte, sprich eine Kündigung der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vom Platz stellen kann, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlich, dass dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung erst durch die entsprechende Warnfunktion einer Abmahnung vor Augen geführt wird, dass der Arbeitgeber weitere Fouls, d. h. arbeitsrechtliche Pflichtverletzungen nicht mehr dulden wird.

Im konkreten Fall war ein Arbeitnehmer an drei Tagen hintereinander jeweils zu spät gekommen.

Der Arbeitgeber hatte hier insoweit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigt, dass er diese drei Pflichtverstöße nicht in einer Abmahnung, einer sogenannten Sammelabmahnung ahnden sollte, sondern hatte – insoweit korrekt – für diese drei aufeinanderfolgenden Tage jeweils eine formal ordnungsgemäße Abmahnung erteilt.

Als dann aber der Arbeitnehmer einige Zeit später wiederum verspätet zur Arbeit erschien und der Arbeitgeber daraufhin die Kündigung erklärt hatte, unterlag er zunächst beim Arbeitsgericht Aachen (ArbG Aachen, Urteil vom 16. Dezember 2021 – 1 Ca 2426/21) und dann auch in der Berufungsinstanz beim Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln, Urteil vom 20. Oktober 2022 – 8 Sa 465/22 –, juris).

Sowohl die erste als auch die zweite Instanz hatten hier ausgeurteilt, dass die drei Abmahnungen, die am selben Tag für die vorangegangenen drei Tage des verspäteten Erscheinens erteilt worden waren, ihre Warnfunktion verfehlt hätten und – im Ergebnis – nicht wie drei Abmahnungen, sondern lediglich wie eine einzige Abmahnung anzusehen seien. In Anbetracht der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses wie auch des relativ geringfügigen Pflichtenverstoßes sei dann im Rahmen der Interessenabwägung eine solche, als lediglich eine Abmahnung geltende Warnung nicht ausreichend, bei dem erneuten Zuspätkommen die Kündigung zu rechtfertigen.

Kommentar

Auch wenn diese Urteile zunächst verwundern, sind sie im Ergebnis korrekt. Der Arbeitgeber hatte zunächst einmal seinerseits das Richtige gemacht, nämlich drei arbeitsrechtliche Pflichtverstöße nicht in einer sogenannten Sammelabmahnung abgemahnt, sondern dem Arbeitnehmer hier eine Abmahnung für jeden einzelnen Pflichtenverstoß erteilt.

Das Risiko bei sogenannten Sammelabmahnungen liegt darin, dass diese insgesamt rechtsunwirksam werden, wenn der Arbeitgeber mehrere Pflichtenverstöße in einer einzigen Abmahnung ahndet, sofern sich auch nur ein einziger Pflichtenverstoß nicht bewahrheitet. Arbeitgeber sollten daher keinesfalls derartige Sammelabmahnungen verwenden.

Die Problematik bestand nunmehr aber im tatsächlichen Geschehen: der Arbeitnehmer war an drei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils zu spät zur Arbeit erschienen. Da der Arbeitgeber hier für jeden einzelnen Tag – formal korrekt – dem Arbeitnehmer an einem Folgetag diese drei Einzelabmahnungen übergeben hatte, konnte er aber schon rein bei einem Blick auf die Zeitachse die in einer Abmahnung liegende Warnfunktion nur einmal erreichen.

Die Erteilung einer Abmahnung setzt nämlich – in zeitlicher Hinsicht – voraus, dass der Arbeitnehmer überhaupt die Gelegenheit hat, sein pflichtwidriges Verhalten zu ändern. Nachdem ihm dies bereits rein tatsächlich ja nicht mehr möglich war, sah es letztendlich das Landesarbeitsgericht Köln – insoweit zutreffend – so an, als dass dem Arbeitnehmer nur eine einzige Abmahnung erteilt wurde.

Rechtsdogmatisch wäre es zwar nicht erforderlich gewesen, dass drei Abmahnungen für eine Kündigung vorliegen müssen.

Es ist wiederum wie einleitend bildlich dargestellt wie im Fußball: Nach einer Gelben Karte sieht der Spieler nach dem nächsten Foul entweder Gelb-Rot oder direkt Rot, ohne dass auch hier eine zweite oder gar dritte vorherige Gelbe Karte zu erfolgen hat.

Auch arbeitsrechtlich würde ein abgemahnter Pflichtenverstoß und – nach der Möglichkeit, das Verhalten zu ändern – ein weiterer gleichartiger Pflichtenverstoß dann zur Kündigung führen.

Wie das Landesarbeitsgericht Köln dann aber ausgeführt hat, ist daneben noch eine allgemeine Interessenabwägung notwendig, ob denn insbesondere in Anbetracht der Betriebszugehörigkeit und sonstiger Umstände des Einzelfalls eine Kündigung trotz vorangegangener Abmahnung gerechtfertigt ist.

Dies war nach dem Sachverhalt und der Einzelwürdigung im konkreten entschiedenen Fall wohl nicht gegeben.

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Autor

Bernd-Uwe Sätzler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Zertifizierter Compliance Officer

Der Autor ist Partner der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn