Arbeitsrecht: Gebot fairen Verhandelns beim Aufhebungsvertrag

Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgericht macht deutlich, dass das Verhandeln von Aufhebungsverträgen nicht gänzlich frei von Tücken ist. Insbesondere ist das Gebot fairen Verhandelns zu beachten (BAG, Urteil vom 24.02.2022 – 6 AZR 333/21  – Pressemitteilung 8/22 des BAG vom 24.02.2022).

Sachverhalt

Die Parteien stritten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses, nachdem sie zuvor einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten.

Die Klägerin war seit 01.05.2015 bei der Beklagten als Teamkoordinatorin Verkauf tätig. Auch der Ehemann der Klägerin war bei der Beklagten beschäftigt.

Am 22.11.2019 wurde die Klägerin am Mittag zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten in dessen Büro gebeten. Bei diesem Gespräch war der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten dabei, der sich gegenüber der Klägerin als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte.

Die Arbeitgeberseite warf der Klägerin im Gespräch vor, sie habe in der Vergangenheit Einkaufspreise für Waren in der EDV der Beklagten unberechtigt geändert bzw. reduziert. Hierbei ist unstreitig, dass der Klägerin vorab nicht kommuniziert wurde, dass der Vorwurf Gegenstand des Gesprächs sein sollte.

Der Klägerin wurde im Gespräch ein bereits vorbereiteter und vorformulierter Aufhebungsvertrag vorgelegt. Es gab dann eine etwa zehnminütige Gesprächspause. Während dieser Pause saßen alle drei Personen schweigend am Tisch. Im Anschluss unterzeichnete die Klägerin den Aufhebungsvertrag.

Am gleichen Tag führte die Beklagte im Beisein ihres Anwalts auch mit dem Ehemann der Klägerin ein Gespräch. Auch dieser unterzeichnete im Verlauf einen Aufhebungsvertrag.

Am 29.11.2019 ließ die Klägerin über ihren Anwalt die Anfechtung des Aufhebungsvertrages erklären. Die Klägerin sei durch widerrechtliche Drohung u.a. mit einer fristlosen Kündigung sowie einer Strafanzeige zum Abschluss des Aufhebungsvertrags gedrängt worden.

Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 04.12.2019 das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin.

Die Einzelheiten des Gesprächs zwischen den Parteien sind streitig und waren Gegenstand der Beweisaufnahme. Die Klägerin hat insbesondere behauptet, ihrer Bitte nach einer längeren Bedenkzeit sei nicht nachgekommen worden. Auch habe man ihrem Wunsch, Rechtsrat vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages einzuholen, nicht entsprochen.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Paderborn hat der Klage stattgegeben. Das LAG Hamm (Westfalen) als Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Im Leitsatz hielt das Berufungsgericht fest, dass der Arbeitgeber nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages verstoße, wenn er einen Rechtsanwalt zu den Vertragsverhandlungen hinzuzieht, einen Aufhebungsvertrag vorlegt, der nur sofort abgeschlossen werden kann und dies mit der – im Streitfall nicht widerrechtlichen – Drohung verbindet, er werde eine fristlose Kündigung aussprechen und Strafanzeige erstatten.

Die eigenmächtige, ohne sachlichen Grund vorgenommene Veränderung/Herabsetzung von Einkaufspreisen im Warenwirtschaftssystem des Arbeitgebers stelle eine erhebliche Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Arbeitnehmer dar. Eine wie hier schwere Nebenpflichtverletzung rechtfertige auch eine fristlose Kündigung, da das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört sei.

Die Drohung mit einer Strafanzeige zum Zwecke des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages sei dann nicht widerrechtlich, wenn die zur Anzeige zu bringende Straftat zugleich eine Vertragspflichtverletzung von solchem Gewicht darstelle, dass ein verständiger Arbeitgeber eine den Regelungen des Aufhebungsvertrages in etwa entsprechende Kündigung ernsthaft in Betracht ziehen durfte.

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Es fehle hier an einer Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung. Denn im vorliegenden Fall habe ein verständiger Arbeitgeber sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen.

Die Beklagte habe nicht unfair verhandelt. Ein Verstoß gegen ihre Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB liege nicht vor. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin sei nicht verletzt worden, indem die Beklagte  den Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet habe und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort zu entscheiden hatte.

Kommentar

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2019 festgehalten, dass das Gebot fairen Verhandelns bei Aufhebungsverträgen zu beachten ist (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18). Unter Verstoß dieses Grundsatzes zustande gekommene Aufhebungsverträge können nachträglich angegriffen werden.

Die aktuelle Entscheidung des BAG bestätigt die Rechtsprechung des Senats aus dem Jahr 2019.

Ob ein Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen ist, ist Frage des Einzelfalls.

Alleine ein unangenehmes Gesprächsthema für den Mitarbeiter, wie hier der Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt für sich genommen keinen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns dar.

Die Einleitung sowie der Ablauf von Trennungsgesprächen mag gut überlegt sein. Die Einräumung einer angemessenen Bedenkzeit ist ein taugliches Mittel, um das Risiko einer Vertragsreue des Arbeitnehmers zu reduzieren. Zudem ist ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, wann, wo und zu welcher Gelegenheit über einen Aufhebungsvertrag verhandelt wird.

Aus Arbeitgebersicht riskant ist es hierbei, bei Verhandlungen eine psychische Drucksituation zu schaffen, körperliche Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers, z.B. eine akute Erkrankung oder ein Überraschungsmoment auszunutzen.

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Pfefferle Helberg mit Sitz in Heilbronn deckt mit seinen Fachanwälten für Arbeitsrecht die gesamte Bandbreite im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht in der Beratung von Arbeitgebern ab.

Unsere Leistungen im Arbeitsrecht umfassen sowohl die einzelfallbezogene arbeitsrechtliche Beratung als auch die laufende Beratung von Unternehmen. Ferner entwickeln wir arbeitsrechtliche Unternehmensstrategien und setzen diese um.

Autor

Michael Englert
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Der Autor ist Associate der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn