Das Landesarbeitsgericht Hamm bejahte den Anspruch auf Mindestlohn für ehemalige Mitglieder eines Yoga-Ashrams. Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht in derselben Sache der Revision stattgegeben und die Sache an das LAG Hamm zurückverwiesen (LAG Hamm, Urteile vom 14.05.2024 – 6 Sa 1128/23, 6 Sa 1129/23 und 6 Sa 1112/23; BAG, Urteil vom 25.04.2023 – 9 AZR 253/22).
Sachverhalt (verkürzt)
Die Kläger, darunter eine Volljuristin, klagten als ehemalige Mitglieder gegen den Beklagten auf Mindestlohn. Im Falle der Volljuristin standen insgesamt 42.000,00 Euro als Mindestlohn im Raum.
Der Beklagte ist als Verein organisiert und betreibt Zentren sowie Seminarhäuser.
Bei den Klägerinnen handelte es sich um sog. Sevakas, die für einige Zeit in einem Ashram des Beklagten lebten und dort Dienste verrichteten. Zu den Diensten gehörten Tätigkeiten in der Küche, Haushalt, Garten, Gebäudeunterhaltung, Werbung, Buchhaltung, Durchführung von Yoga-Unterrichten sowie Leitung von Seminaren. Die klagende Volljuristin war im Zeitraum vom 01.03.2022 bis zum 30.06.2020 als Sevaka im Yoga-Ashram tätig.
Im Rahmen des Seva habe das Mitglied dienstliche Vorgesetzte („Ashram- und Zentrumsleiter, Teamleiter und Bereichsleiter“), deren Anordnungen es im Bereich des Seva Folge zu leisten habe. Das Mitglied erhalte weiterhin ein Taschengeld sowie Verpflegung und Unterkunft.
Die regelmäßige Sevazeit betrage 42 Stunden pro Woche, wobei auch Dienst an Wochenenden und Feiertagen verlangt werden könne.
Das Mitglied dürfe grundsätzlich auch keiner Nebentätigkeit nachgehen, um sich „ganz der spirituellen Entwicklung widmen zu können“.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Bei der in § 14 des Vertrags über die Mitarbeit ausgewiesenen Sevazeit von 42 Wochenstunden habe es sich um die Regelarbeitszeit gehandelt. Spirituelle Handlungen seien während dieser Sevazeit nicht vollzogen worden. Die spirituelle Praxis sei immer mehr zurückgegangen, sie seien als billige Arbeitskräfte ausgenutzt worden. Sie haben wie die anderen dem Direktionsrecht unterlegen. Sie haben vorgetragen, der Beklagte habe eine wirtschaftliche Zielsetzung. Ziel sei die Vermarktung von Yoga. Es habe sich nicht um ein Kloster gehandelt. Sie seien auch keiner religiösen Gemeinschaft beigetreten, sondern einer spirituellen Gemeinschaft. Yoga könne nicht mit Hinduismus gleichgesetzt werden.
Der Beklagte hat unter anderem vorgetragen, die Kläger seien sehr wohl Mitglieder einer hinduistischen Klostergemeinschaft gewesen. Yoga (…) sei eine Strömung des Hinduismus, in der besonders die spirituelle Gemeinschaft eine wichtige Rolle spiele. Es bestünde ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit christlichen Klöstern und das Leben und die Tätigkeiten der Mitglieder unterschieden sich nicht von denen der Mitglieder von christlich-klösterlichen Gemeinschaften. Die Kläger hätten keinem Direktionsrecht unterlegen und hätten sich ihre Sevazeiten frei einteilen können.
Entscheidung
Das LAG Hamm bejaht – unter Zugrundelegung der BAG-Entscheidung aus dem Jahr 2023 – eine Arbeitnehmereigenschaft der drei klagenden Mitglieder. Dies führt dann zur Verpflichtung des Vereins zur Zahlung des Mindestlohns. Damit korrigierte das LAG Hamm seine Entscheidung aus dem Jahr 2022, in dem die Klage noch abgewiesen worden war.
Dem BAG zufolge kommt eine aufgrund Vereinsmitgliedschaft und zur Förderung des Vereinszwecks zu erbringende fremdbestimmte, weisungsgebundene Tätigkeit ihrer Verbindlichkeit nach einer arbeitsvertraglichen Pflicht gleich. Falls wie hier die beschäftigte Person nicht aufgrund ihrer Arbeitsleistung ähnlich einem Arbeitnehmer sozial geschützt ist, sei zwingend von einem Arbeitsverhältnis auszugehen. Zu dem damit verbundenen Mindestschutz auf Entgeltebene gehört der Anspruch auf Mindestlohn.
Die Argumentation des Vereins, es habe sich durch den Vereinsbeitritt um die Mitgliedschaft in einer hinduistischen Klostergemeinschaft gehandelt, ließ das BAG nicht gelten. Auf Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 WRV könne sich der Verein nicht berufen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte der Verein eine innere Ordnung schaffen können, nach deren Maßgabe ausschießlich vom Gemeinschaftszweck geprägte Dienste nicht dem staatlichen Arbeitsrecht unterworfen sind. Im vorliegenden Fall beruhe die spirituelle Gemeinschaft den Richtern zufolge aber nicht auf einem Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung. Dagegen sprachen die Regelungen in der Vereinssatzung als auch der fehlende Vortrag des beklagten Vereins zu den Grundlagen seiner Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens. Den Richtern blieb unklar, auf welchem existenziellen Verständnis der Welt und des Sinns des menschlichen Lebens die gewählte Lebensform beruhe.
Hinweis
Losgelöst von diesem Fall spielt das Thema des Mindestlohns in der arbeitsrechtlichen Beratung eine große Rolle. In der Praxis stellen sich häufig Fragen der Berechnung des Mindestlohns, der anrechenbaren Entgeltbestandteile, der Dokumentationspflichten und Kontrolle.
Der Anspruch auf Mindeslohn nach MiLoG lässt sich nicht durch Ausschluss- oder Verfallfristen aushebeln. Bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen gegen das MiLoG drohen als Ordnungswidrigkeit empfindliche Geldbußen. Auch Verstöße gegen Dokumentations- und Vorhaltepflichten sind bußgeldbewehrt.
Bei Vereinen stellt sich die Frage, inwieweit vereinsmitgliedschaftliche Gestaltungen bei weisungsgebundenen und fremdbestimmten Leistungen in persönlicher Abhängigkeit die Anwendung des Arbeitsrechts verdrängen können. Das ist nur dann möglich, soweit gleichwertiger Schutz gewährleistet ist.
Sofern ein Sportverein Pflichtarbeitsstunden von Mitgliedern vorsehen möchte, z.B. im Tennisverein zur Pflege und der Erhaltung der Tennisanlage, so muss sich dies aus der Satzung ergeben. Es muss sich dann um Arbeitsstunden als Form des Mitgliedsbeitrages handeln. Zudem müssen Umfang der zu leistenden Stunden als auch die Rechtsfolge bei Nichtleistung der Arbeitsstunden, z.B. ersatzweise eine Geldzahlung definiert sein. Bei solchen Tätigkeiten stellt sich dann aber das Problem, ob solche Pflichtarbeitsstunden versichert sind oder nicht.
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Pfefferle Helberg mit Sitz in Heilbronn deckt mit seinen Fachanwälten für Arbeitsrecht die gesamte Bandbreite im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht in der Beratung von Arbeitgebern sowie Führungskräften ab.
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