Arbeitsrecht: Der ewige Urlaubsanspruch

Neues aus Erfurt zur Verjährung von Urlaubsansprüchen – das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in Fortführung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 22.09.2022 nunmehr mit Urteil vom 20.12.2022 entschieden, dass Urlaubsansprüche nicht mehr automatisch nach drei Jahren verjähren. Das höchste deutsche Arbeitsgericht hat damit die hohe Hürde bei der Verjährung des Jahresurlaubs der europarechtlichen Rechtsprechung konsequent fortgeführt (BAG, Urteil vom 20.12.2022 – 9 AZR 266/20).

Der Fall

Zugrunde lagen zwei Verfahren aus Nordrhein-Westfalen. Während es in dem einen Fall um 14 Tage Resturlaub ging, die wegen einer Erkrankung nicht genommen werden konnten (Az. 9 AZR 245/19), lag dem zweiten Fall zugrunde, dass eine Steuerfachangestellte wegen hoher Arbeitsbelastung über mehrere Jahre hinweg insgesamt 101 Urlaubstage angesammelt hatte (Az. 9 AZR 266/20).

Nachdem in diesem Fall noch das Arbeitsgericht zunächst die Klage, soweit es um Urlaubsansprüche, die älter als drei Jahre waren, wegen der Einrede der Verjährung des Arbeitgebers abgewiesen hatte, entschied nunmehr das Bundesarbeitsgericht zugunsten der Arbeitnehmerin. Dies mit der Folge, dass diese sich nunmehr über eine Nachzahlung von über 17.000 Euro brutto freuen darf.

Nachdem der Europäische Gerichtshof bereits im September auf Basis eines Vorlagebeschlusses entschieden hatte, dass Urlaub nicht verjähren könne oder aber bei langer Krankheit verfalle, wenn der Arbeitgeber seinen Informations- und Mitwirkungspflichten nicht nachkomme, wurde dies nunmehr auch in deutsches Recht umgesetzt, auch wenn anlässlich der Verkündung der Entscheidung der Vorsitzende Richter anklingen ließ, dass es wohl nicht die letzte Entscheidung zum Urlaubsrecht sein werde.

Die tragenden Gründe des stattgebenden Urteils sind, dass der Arbeitgeber nach diesem Grundsatzurteil (Az. 9 AZR 266/20) nunmehr eine aktive Rolle einnehmen müsse und seine Beschäftigten auf bestehende Urlaubsansprüche hinweisen und zudem warnen muss, dass diese Urlaubsansprüche verfallen, wenn kein Urlaubsantrag gestellt wird. Wenn hingegen die Arbeitgeber tatenlos zusehen, könne Urlaub oder Resturlaub auch noch Jahre später beansprucht werden. Das Bundesarbeitsgericht entschied insoweit, dass die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres beginne, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer gleichwohl aus freien Stücken dann seinen Urlaub dennoch nicht nimmt.

So konnte im entschiedenen Fall der Arbeitgeber sich bei den 101 Resturlaubstagen nicht erfolgreich auf die Verjährung berufen und im parallel entschiedenen Fall nicht den Verfall des Urlaubs nach 15 Monaten bei einer Dauererkrankung geltend machen.

Fazit

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war absehbar, nachdem der Europäische Gerichtshof bereits die hohen Hürden für den Verfall von Urlaubsansprüchen aufgebaut hatte und den Arbeitgebern auferlegt hat, nicht nur beispielsweise pauschal durch einen allgemeinen Aushang, sondern konkret und individuell dahingehend zu warnen und hinzuweisen, dass noch Resturlaubsansprüche im Kalenderjahr offenstehen, diese in Natur genommen werden müssen und sie anderenfalls verfallen oder verjähren können. Ein Unterlassen dieser Hinweispflicht führt dazu, dass die regelmäßige Verjährungsfrist nicht beginnt.

Es besteht mithin Handlungsbedarf auf Seiten der Arbeitgeber. Sie müssen künftig so rechtzeitig zum Jahresende hin individuell die Beschäftigten über offenstehende Resturlaubsansprüche informieren.

Anderenfalls droht ihnen, dass sie – selbst noch nach vielen Jahren und selbst aus bereits beendeten Arbeitsverhältnissen – immer noch mit Urlaubsabgeltungsansprüchen in Anspruch genommen werden können.

Falls Sie als Arbeitnehmer Fragen haben, ob Ihre Resturlaubsansprüche noch bestehen und wie diese geltend gemacht werden können oder aber wenn Sie als Arbeitgeber mit derartigen Ansprüchen konfrontiert werden, so beraten wir Sie gerne.

Rückfragen? Beantworten wir gerne persönlich.

Pfefferle Helberg mit Sitz in Heilbronn deckt mit seinen Fachanwälten für Arbeitsrecht die gesamte Bandbreite im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht in der Beratung von Arbeitgebern ab.

Unsere Leistungen im Arbeitsrecht umfassen sowohl die einzelfallbezogene arbeitsrechtliche Beratung als auch die laufende Beratung von Unternehmen. Ferner entwickeln wir arbeitsrechtliche Unternehmensstrategien und setzen diese um.

Autor

Bernd-Uwe Sätzler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Zertifizierter Compliance Officer

Der Autor ist Partner der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn