Mietrecht: Streit um Wohngemeinschaft landet vor BGH

In Hochschulstädten wie Heilbronn wird die Vermietung von Wohnungen an Studenten und Wohngemeinschaften immer beliebter. Ein Mieterwechsel ist bei WGs nicht so ohne weiteres möglich, wie ein vom Bundesgerichtshof entschiedener Fall zeigt (BGH, Urteil vom 27.04.2022 – VIII ZR 304/21).

Sachverhalt

Mit Mietvertrag vom 19.08.2013 vermietete die Beklagte eine Wohnung mit sieben Zimmern an insgesamt sechs Männer der Jahrgänge 1979 bis 1988.

In dem Mietvertragsvordruck war noch vor dem Vertragsschluss einer der bereits aufgeführten potentiellen Mieter durch einen anderen ersetzt worden. Diese Person hat dann zusammen mit den in der Vertragsurkunde aufgeführten weiteren fünf Mitmietern den Mietvertrag unterzeichnet.

Mit Nachtrag Nr. 1 vom 21.02.2017 vereinbarten die Vermieterin, die damaligen Mieter und sechs weitere Personen, dass fünf der bisherigen Mieter aus dem Mietverhältnis ausscheiden und dieses mit dem verbleibenden Mieter sowie den sechs hinzukommenden Personen als Mieter fortgesetzt wird. Es wurde geregelt, dass die neuen Mieter bezüglich Abrechnung der Vorauszahlungen auf Betriebskosten als auch des tatsächlichen Zustands der Wohnung so gestellt würden, als seien sie von vornherein Vertragspartei gewesen. In diesem Zug wurde auch die monatlich zu zahlende Grundmiete erhöht.

Ein weiterer Nachtrag aus Mai 2017 regelte, dass einer der im Februar 2017 eingetretenen Mieter wieder ausscheidet und das Mietverhältnis stattdessen mit einer neu eintretenden Person fortgesetzt wird. Diese Vereinbarung enthielt zu den Rechten und Pflichten des eintretenden Mieters dieselben Regelungen wie der erste Nachtrag. Die Miete blieb unverändert.

Im Oktober 2019 begehrten die klagenden Mieter eine Zustimmung zu einem Austausch von vier der Mieter. Dies lehnte die Beklagte ab. Diese vier Personen, die nach dem Wunsch der Kläger in das Mietverhältnis eintreten sollen, wohnen bereits im Wege eines Untermietverhältnisses anstelle der vier Kläger, die aus dem Mietverhältnis ausscheiden wollen, in der Wohnung.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Klage der Mieter stattgegeben. Das Landgericht Berlin als Berufungsgericht hat die Klage hingegen abgewiesen.

Entscheidung

Der BGH folgte dem Landgericht und hat die Revision zurückgewiesen. Den Klägern stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zu einem erneuten Mieterwechsel nicht zu.

Ein derartiger Anspruch ergebe sich nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag vom 19.08.2013 in Verbindung mit den beiden Nachträgen. Vielmehr spreche gerade die Existenz zweier Nachträge, die Mieterwechsel regelten, gegen einen solchen Anspruch. Ein solcher Anspruch sei auch nicht auf Grund einer Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB oder aus Treu und Glauben nach § 242 BGB zu bejahen.

Die Parteien haben im Mietvertrag oder in den Nachträgen gerade nicht vereinbart, dass den Mietern ein Anspruch auf Zustimmung zu einem künftigen Mieterwechsel zustehen soll oder eine solche Einwilligung vorab erteilt wird. Ein solcher Anspruch lässt sich bereits dem Wortlaut der Vertragsurkunde nicht entnehmen. Auch im Wege der Auslegung können den zum Vertragsschluss sowie zu den Nachträgen führenden Willenserklärungen der Parteien derartige Vereinbarungen nicht entnommen werden.

Diese Auslegung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls  (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2021 – VIII ZR 66/19). Maßgeblich ist  der wirkliche Wille der Parteien, wobei die Auslegung sich daran auszurichten hat, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern (§§ 133, 157 BGB).

Bei der Auslegung sei insbesondere zu Lasten der Mieter auch zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich diesen obliege, für eine Vertragsgestaltung, die ihnen einen gesetzlich nicht vorgesehenen Mieterwechsel ermöglicht, Sorge zu tragen, da eine solche Vereinbarung regelmäßig vorwiegend in ihrem Interesse liegt.

Der BGH sah vorliegend auch keine Schutzwürdigkeit der Mieter. Den Bedürfnissen der Mieter nach Flexibilität sei von Gesetzes wegen durch die Möglichkeit zur Untervermietung nach § 553 Abs. 1 BGB  (wie hier geschehen) sowie durch die für Mieter kurze Kündigungsfrist des § 573c Abs. 1 BGB Rechnung getragen.

Kommentar und Praxishinweis

Der Entscheidung des BGH ist zu folgen, auch wenn dies bitter für die Wohngemeinschaft ist. Das Gesetz selbst kennt nun mal kein Recht auf Mieteraustausch.

Ein Anspruch muss vertraglich vereinbart werden oder sich, was schwer beweisbar sein dürfte, aus den Motiven der Parteien bei Vertragsschluss ergeben. Eine derartige Vertragsauslegung hat enge Grenzen, da der Vermieter viele Nachteile im Falle eines „unkontrollierten“ Mieterwechsels hat (Solvenz der neuen Mieter? Risiken bei einer Kündigung sowie der Durchsetzung und Nachweis von Schadensersatzansprüchen).

Den Bestandsmietern wird vorliegend wohl nichts anderes übrig bleiben, als das Mietverhältnis wirksam zu kündigen und die Wohngemeinschaft in diesem Zuge aufzulösen. Es dürfte unter Haftungsgesichtspunkten keine Lösung sein, die Untermieter faktisch weiter dort wohnen zu lassen. Denn die Bestandsmieter haften für die Verbindlichkeiten der Untermieter (Miete, Schäden an der Mietwohnung) unbeschränkt. Da die Untermieter dort aber bereits wohnen, ist für zusätzliches Streitpotential im Verhältnis zwischen Hauptmieter und Untermieter gesorgt.

Studierende, die sich in eine bestehende Studenten-WG einmieten wollen, sind stets gut beraten, sich im Vorfeld den Mietvertrag sowie etwaige Zusatzvereinbarungen zeigen zu lassen. Je nach Vertragsgestaltung bestehen nicht zu unterschätzende Haftungsrisiken, insbesondere wenn der neue WG-Mieter für ältere Verbindlichkeiten der WG mithaftet.

Bei Begründung einer WG muss ganz genau überlegt werden, wie der Mietvertrag und das Zusammenleben gestaltet werden sollen. Denn regelmäßig wird zumindest bei Studenten das Wohnen in der WG maximal auf die Dauer des Studiums ausgelegt sein.

Vermieter und Mieter müssen sich zudem vor Augen führen, dass sich die Beendigung eines Mietverhältnisses mit mehreren Mietern auch schwierig gestaltet. Dies alleine schon vor dem Hintergrund, dass im Zweifel sämtliche Mieter dem Vermieter kündigen müssen und umgekehrt der Vermieter, falls nicht vertraglich anders geregelt, gegenüber allen Mietern kündigen muss.

Rechtsfragen und Fälle rund um Wohngemeinschaften dürften gerade in Großstädten zukünftig häufiger auftreten. So werden auch Berufstätigen-WGs oder Senioren-WGs immer beliebter. Vor dem Hintergrund steigender Mieten werden sich viele Mieter eine Mietwohnung zur Alleinnutzung schlichtweg nicht mehr leisten können und stattdessen auf Mietangebote von WGs ausweichen müssen.

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Pfefferle Helberg mit Sitz in Heilbronn berät Vermieter in der Wohnraummiete außergerichtlich als auch gerichtlich im Rahmen der Prozessführung. Bei Bedarf besteht auch die Möglichkeit einer Dauerberatung, für die Ihnen unsere Anwaltskanzlei in Heilbronn gerne ein maßgeschneidertes Angebot unterbreitet.

Des Weiteren vertritt die Kanzlei, federführend durch Rechtsanwalt Michael Englert im gewerblichen Mietrecht sowohl die Mieter- als auch Vermieterseite.

Die Beratung des Fachanwalts für Miet- und Wohnungseigentumsrecht reicht von der Begleitung bei Vertragsverhandlungen, der Gestaltung des Mietvertrags, Betriebskostenrecht, Mieterhöhungen, Abmahnung und Kündigung problematischer Mieter, Eigenbedarfskündigung, Verwertungskündigung, Beitreibung von Mietrückständen, Prozessführung einschließlich Räumungsklage bis hin zur Zwangsvollstreckung, insbesondere der Räumungsvollstreckung.

Rechtsanwalt Michael Englert vertritt Vermieter insbesondere auch im Umgang mit Mietnomaden, Messies, Querulanten, gewalttätigen Mietern, Zweckentfremdung des Mietgegenstands, Stromdiebstahl, unberechtigter Untervermietung und Überbelegung.

Wirtschaftliche und pragmatische Problemlösungen stehen dabei im Vordergrund.

Autor

Michael Englert
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Der Autor ist Associate der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner in Heilbronn